Warum Ich Kein Haus in Spanien Kaufe

Warum Ich Kein Haus in Spanien Kaufe

Der Titel deutet es schon an, es wird etwas skeptisch. Um nicht zu sagen dystopisch. Zumindest hoffe ich, dass ich in vielem Unrecht habe, was gleich kommt.

Ich hatte mal den Plan, durch Spanien zu fahren, und mir da irgendwo ein nettes Häuschen zu kaufen. Ich hab mich auch ein wenig umgesehen, im Norden und im Süden. Aber ich bin mit der Zeit immer mehr von der Idee abgekommen. Nicht, weil es hier keine schönen Häuschen gibt. Ganz im Gegenteil. Aber ich würde in so ein Haus all mein Geld stecken, wie es halt so ist, wenn man ein Haus kauft. Und das sollte dann schon so für 20-30 Jahre auch Freude machen können. Im Idealfall sollte es auch im Jahre 2100 noch einen guten Wert haben. Und daran habe ich langsam meine Zweifel. Aus drei Gründen: klimatische Veränderungen, Klimamigration, und der politischen Entwicklung Europas.

Mit klimatischen Veränderungen meine ich die Folgen des Klimawandels, also den Anstieg des Meeresspiegels, Extremwetterereignisse wie Überflutungen und Hitzewellen, sowie Wassermangel. Schon absolut akut ist hier in Andalusien der Wassermangel. Die lokalen Medien berichten fast täglich davon.

Wassermangel an Costa del Sol: Strenge Verbote beim Trinkwasser auch in Benalmádena und Fuengirola
Regnet es nicht bald ergiebig, ist im März 2024 das Trinkwasser an den Küsten Málagas aufgebraucht, melden Hydrologen der Landesregierung Andalusien trocken. Bis dahin versucht sich die Costa del Sol weiter mit Flickwerk am Wasser sparen und hofft auf rettende Lösungen.

Und die politische Situation in Spanien sieht nicht danach aus, dass hier bald vernünftige Regelungen getroffen werden. Stattdessen wird ein klassischer Verteilungskampf geführt, zwischen dem Norden und dem Süden, und zwischen den Reichen und den Armen. Daher darf man hier die Prognose wagen, dass das Wasserproblem in Spanien dramatisch und rasant zunehmen wird. Konflikte sind so vorprogrammiert, gerade in Andalusien. Hier jetzt eine Immobilie zu erwerben ist also mit massiven Unsicherheiten verbunden, gerade wenn man nicht in einem "abgesicherten" Touristenort wohnt. Ob und wie man in Zukunft dann Zugang zu Wasser hat, ist ein großes Fragezeichen.
Hitzeperioden sind ein weiteres Thema. 30 Grad im November sind ja (auf den ersten Blick) ganz schön, aber wenn es dann 45 im Sommer werden, wird es heikel. Und dann die Klimaanlage non-stop ballern zu lassen, ist eine wenig nachhaltige Lösung. Solarstrom hat hier zumindest das Potential, das Stromproblem abzumildern. Aber auch wenn das konsequent umgesetzt wird, ist man bei solchen Temperaturen an seine Innenräume gebunden. Auch nicht so toll.
Denkt man ein paar Jahre weiter, wird man mit dem Anstieg des Meeresspiegels und dem Flutrisiko konfrontiert. Hier sind Prognosen kompliziert und von vielen Faktoren abhängig. Aber Tendenzen und Wahrscheinlichkeiten sind auch hier absehbar. Die folgende Karte zeigt eine Prognose für Tarifa im Jahre 2100 für den Anstieg des Meeresspiegels (in rot), bei der Annahme dass moderate Maßnahmen zur Bekämpfung umgesetzt werden und wir ein moderates Glück mit der Entwicklung haben.

Nimmt man noch die Auswirkungen einer Flut dazu, die einmal im Jahr auftreten könnte, sieht es aus wie folgt.

Dies sind wie gesagt Prognosen, aber sie machen zumindest eins klar - es wird Veränderungen geben, und diese Veränderungen haben das Potential, gerade Küstenregionen zumindest zeitweise komplett umzukrempeln. Um hier effektiv gegenzusteuern müsste man jetzt anfangen. Madame de Pompadour lässt grüßen.

Ein heikler Punkt, und man redet nicht gerne drüber, aber es gibt sie, und es wird noch viel mehr geben - Klimamigration. Und um das ganz klar zu machen, ich habe dafür vollstes Verständnis. Es ist auch schwer, dieses nicht zu haben. Wenn ich in meiner Heimat nicht mehr überleben kann, dann habe ich gar keine andere Wahl, als woanders hinzugehen. Das würde ich genauso machen. Wie jeder andere auch. Und ich würde mit Fug und Recht erwarten, dass gerade die Länder, die maßgeblich die Verantwortung für die Klimaerhitzung haben, mir jetzt wenigstens dabei helfen, zu überleben, und mir etwas von ihrem geliehenen Wohlstand abgeben.
In seiner Gesamtheit ein komplexes Thema, das ich hier nicht annähernd ausbreiten möchte, sondern mich auf die reinen Prognosen beziehen. Zum Beispiel die der Weltbank, dass es bis zum Jahre 2050 über 140 Millionen Klimageflüchtete geben könnte. Warum das so ist, wird von der Welthungerhilfe gut erklärt. Oder die Einschätzung der Environmental Justice Foundation, dass 720 Millionen Menschen extreme Armut droht wenn wir die Klimakrise nicht bekämpfen. In Spanien ist diese Entwicklung natürlich auch schon Thema, zum Beispiel werden die Kanaren immer öfters das Ziel von Geflüchteten. Und wenn die Wasserknappheit in Andalusien so weitergeht, hat Spanien bald Binnengeflüchtete, weil es im Süden zum Teil auch keine Lebensgrundlage mehr gibt.
Eines ist leider abzusehen - die Länder, die maßgeblich etwas ändern könnten, tun es nicht. Sie tun hier und da ein wenig, aber bei weitem nicht genug. Man muss diese Prognosen also ernst nehmen. Wenn selbst ein reiches Land wie Deutschland sich innerlich fast zerfleischt an einem vergleichsweise trivialen Thema wie dem Gebäudeenergiegesetz, was kann man dann noch ernsthaft erwarten?
Diese Entwicklungen werden Menschen auf dem Planeten neu verteilen, es wird Klimamigration geben und es wird massiven Widerstand dagegen geben. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das genau aussehen wird. Es ist eine schmerzlich unzulässige Banalisierung der Thematik, aber ich weiß auch, dass ich dann nicht auf einer Immobilie hocken möchte, die sich möglicherweise im Schmelztiegel dieser Konflikte befindet. Wo sich diese Konflikte austragen werden, kann keiner absehen, aber Europäische Grenzen werden mit Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Ich kann hier gerade in Tarifa nach Afrika herüberschauen. Hier fahren jeden Tag Fähren nach Tanger und zurück. Vielleicht werde ich mich eines Tages an diese friedliche Zeit zurücksehnen müssen. Vielleicht sind die ganzen Prognosen auch falsch, und die FDP hat recht, und alles wird gut durch die noch nicht erfundene Erfindung. Aber darauf verwette ich bestimmt nicht meine Zukunft.

Einer der Gründe, warum die Welt mit umweltpolitischen Themen nicht weiterkommt, ist die politische Entwicklung Europas und der USA. Konservative und rechte Parteien haben einfach kein großes Interesse am Klimaschutz. Kleine Hoffnungsschimmer wie aktuell Polen verblassen gleich wieder, wenn man sich zum Beispiel Deutschland ansieht. Oder die Wahlprognosen in den USA. Oder auch Spanien. Hier zerfleischt man sich lieber an der Amnesie für Separatisten, anstatt sich Gedanken über die Wasserversorgung Andalusiens zu machen. Gerade im Süden sind hier die rechten Parteien stark. Und die machen keine Konzepte wie es besser gehen könnte, die wollen halt Wasser aus dem Norden, damit weiter die Erdbeeren begossen werden können. Was das in Zukunft für die Gastfreundschaft der spanischen Behörden bedeutet, kann man schwer absehen. Hier höre ich jetzt schon abenteuerliche Geschichten über Behördenirrsinn bei dem Versuch ein Hotel oder Restaurant zu eröffnen. Und ich kann auch gut nachvollziehen, dass man irgendwann ungehalten wird, wenn man sein eigenes Wasser aus einem Tankwagen abzapfen muss, während die schicke Stadt nebenan keinerlei Probleme hat, weil da die Touristen spazieren und sich überteuerte Häuschen mit Pool kaufen. Kein wirklich schönes Klima braut sich da zusammen, um sich hier niederzulassen.

Das war jetzt kein Bewerbungsschreiben bei den lokalen Immobilienmaklern. Und wie Eingangs gesagt, ich hoffe, dass ich bei vielem falsch liege. Aber Risiken sind da, Prognosen sind da, und diese werden fast komplett ignoriert, vor allem von den Akteuren, die etwas verändern könnten. Mein kleines Häuschen, das ich nicht kaufen werde, ist hier nur der Aufhänger, um sich diesen Irrsinn bewusst zu machen. Am besten kauft man sich vielleicht mittlerweile ein Boot. Oder halt einen Van. Dann kann man immer wegfahren, wenn es brenzlig wird. So langsam fühlt man sich an Waterworld oder Mad Max erinnert. Ich habe mich für die Mad Max Variante entschieden.

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