Fuerteventura Breakdown
Am 16. Januar dann Final Destination Fuerteventura. Dachte ich zumindest. Das ganze dauert mit der Fähre so 30 Stunden von Cádiz. Ich sparte am Bett und versuchte es mit dem Liegesessel. Das geht. So gerade. Eine Nacht. Niemals mehr. Die Stunden vor der Nacht verbrachte ich hauptsächlich damit, die Regeln von One Deck Galaxy zu verstehen.
Mein Vater war ja erfreulicherweise auch auf der Insel.
Ich verbrachte die meisten Nächte am Playa de Sotavento de Jandía. Da kann man auch schön Kiten, in der Lagune oder im Meer.
Campingplätze gibt es auf Fuerteventura nicht, und dann zeigt sich wie autark der Wagen wirklich ist. Zunächst war es schon mal sehr erfreulich, dass das Starlink funktionierte, obwohl ich nicht mehr in Europa war. Und da ich eine fette Powerstation mit 2x200 Watt Panels dabei habe, war dank des fast ständigen Sonnenscheins das Thema Strom auch kein Problem. Mit dem einen 90 Watt Panel auf dem Autodach wäre das nichts geworden. Schwieriger wird Wassernachschub. Ganz schwierig ist die Entsorgung des Abwassers. Da gibt es auf Fuerte nur sehr wenige Stellen. Jetzt merkte ich, wie ungeeignet Chemietoiletten sind, geradezu absurd, dass Hymer sowas in so einen Wagen einbaut.
Als mein Vater die Heimreise antrat sollte so einiges in die Brüche gehen. Es fing an mit meinem Auto. Die Motorkontrollleuchte ging an, und der Wagen beschleunigte nur noch sehr langsam.
Bei dem Mercedes hab' ich ja diese Mobilitätsgarantie. Die sorgte dafür, dass der spanische ADAC den Wagen abholte. Dann wurde alles zu einem echten Roadmovie. Nur ohne Auto. Da es auf Fuerte keine passende Werkstatt zu geben scheint, wurde der Wagen nach Gran Canaria gebracht. Das dauerte schon mal eine komplette Woche. Die ich mich in Hotels einquartieren musste, aus einer Ikea Tüte lebend. Ich war gestrandet und wusste nicht, wann und wie es weitergeht. Langsam fühlte ich mich ein wenig wie Viktor Navorski.
Die Hotelkosten werden nur für drei Tage übernommen. Und einen Ersatzwagen habe ich auch nicht bekommen. Mobilitätsgarantie hatte ich mir anders vorgestellt. Netterweise hat man mir auch gleich gesagt, dass man den Wagen zwar nach Gran Canaria bringt, aber nicht zurück nach Fuerte. Da musste ich aber hin zurück, um meine Fähre nach Cádiz zu erwischen. Es wurde alles langsam eng mit der Zeit, kein Surfen mehr, dafür teure Hotels und miese Shows. Und zu viele Drinks.
Ich bin in Haan auf das Haaner Gymnasium gegangen. Warum auch immer war dies die einzige Schule weit und breit, die keinen besonderen Namen hatte, einfach nur Haaner Gymnasium. Irgendwann wollte man das ändern, und es wurden Vorschläge gesammelt. Ich hatte Charles Bukowski Gymnasium vorgeschlagen. Es war wenig überraschend, dass das keine Aussicht auf Erfolg hatte. Es wurde dann irgendwie gar nichts ausgewählt, es ist bis heute das Haaner Gymnasium. Immerhin hatte ich noch die Gelegenheit ein Gedicht von Bukowski in der Schülerzeitung unterzubringen. poem for Dante
Beim Auschecken im ersten Hotel hatte ich auch eine Getränkerechnung wie Charles Bukowski. In jeglicher Hinsicht Fuerteventura Breakdown. Erst das Auto, dann ich. Wäre ich Bukowski wäre Fuerteventura Breakdown ein toller Titel für ein Gedicht. Bin ich aber nicht. Es hat aber auch etwas heilsames, wenn all das, was einen gerade noch umgibt, in eine Ikea Tüte passt.
Als nach über einer Woche immer noch nicht klar war, wann der Wagen fertig sein würde, und wie ich dann nach Gran Canaria kommen soll, bin ich auf eigene Faust auf die Fähre. Da fährt zum Glück eine in Morro Jable ab, da war ich ja eh'. In Gran Canaria dann gleich in ein Taxi und ab zu Mercedes. Die hatten aber zu. Alles hatte zu. Da stand ich dann, mit meiner Ikea Tüte, irgendwo auf Gran Canaria. Es war Feiertag auf der Insel. Karneval.
Manchmal im Leben hast Du nur die Wahl zu verzweifeln, oder dich kaputtzulachen über die Absurdität der Situation. Ich habe mich dann für das Letztere entschieden.
Also wieder in ein Hotel. Dann hoch in den achten Stock in die Stage Sky Bar & Lounge. Mit Mineralwasser. Bevor das noch zu Leaving Gran Canaria wird. Dabei konnte ich stundenlang Menschen dabei beobachten, wie sie daran scheiterten den Whirlpool zum Blubbern zu bringen. Ich fing an zu akzeptieren, in einer Tragikomödie zu leben.
Am nächsten Tag wurde alles noch ein wenig bizarrer. Die Mercedes-Niederlassung erklärt mir, der Wagen sei bei einer ganz anderen Zweigstelle am anderen Ende der Insel. Jene Zweigstelle hat dann nach diversen Emails und Telefonaten verlauten lassen, dass sie den Wagen noch gar nicht angesehen haben, da irgendwelche Daten fehlen. Ich telefoniere weiter, irgendjemand verspricht, das mit den Daten nachzuholen, aber jeder behauptet was anderes. Es ist jetzt Mittwoch. Sollte der Wagen bis Freitag nicht fertig werden, würde ich alle gebuchten Fähren verpassen. Es wurde Zeit, über einen Flug nachzudenken, und den Wagen rückführen zu lassen. Ich trotte zurück ins Hotel. Rosenblätter liegen auf dem Bett. Auf dem Tisch eine Flasche Sekt. Eine Karte wünscht einen glücklichen Valentinstag. Die Welt behielt ihren leicht zynischen Humor bei. So wurde es wenigstens nicht langweilig.
Donnerstag. Ein Lichtblick. Es wird ein Sensor bestellt. Wenn alles gut geht, ist der noch rechtzeitig da. Das wäre dann wirklich auf die letzte Minute. Die letzte Woche war in jeglicher Hinsicht sehr ernüchternd. Dafür komme ich immer mehr in Form. Das Wetter auf den Kanaren ist zudem wirklich fast ohne Unterlass eine Freude. Ich denke, nächsten Winter bin ich wieder hier. Dann ist ja auch mein Van fertig. Von Gran Canaria bekomme ich nicht so viel mit, bin hier die ganze Zeit in Las Palmas im Hotel. Zudem arbeite ich, und ohne Auto fehlt mir etwas die Motivation dazwischen rumzureisen. Es gibt hier sogar einen Sightseeing-Bus. Gran Canaria ist (zumindest hier) total anders als Fuerteventura, viel belebter und "erschlossener". Irgendwie ist es gerade ganz angenehm, ein wenig Straßenlärm aus meinem Zimmer im vierten Stock zu hören.
Ich erwache, nachdem ich im Traum ausführlich versuche jemandem zu erklären, was Kategorientheorie ist. Ich weiß nicht, ob ich das richtig erklärt habe, ist lange her. Vielleicht hätte ich an der Uni bleiben sollen. Die aktuellen Wellen zum Personalabbau sind ja auch nicht ganz zu ignorieren. Zum Glück ist mein Job großartig. Im Hörsaal fühlte ich mich doch immer zu Hause. Vor allem in meiner Alma Mater, der unübertroffenen TU Berlin. Bald bin ich ja wieder an der Spree. Und zudem, nicht alle News sind schlecht, eine Eidechsenart wurde nach Bruce Dickinson benannt. Enyalioides dickinsoni. Es ist Freitag. Showdown. Und es passiert tatsächlich, ich kann den Wagen abholen. Unfassbar. Am Abend parke in der Nähe des Hafens und liege Judas Priest hörend wieder in meinem Auto, herrlich. Morgen früh um 8 geht die Fähre zurück nach Fuerte. Abends dann weiter nach Cádiz.
Samstag. Wieder auf Fuerte, das hat schon mal geklappt. Heute Abend sollte ich dann wahrhaftig noch meine Fähre zurück nach Cádiz bekommen. Alles nach Plan wieder, wer hätte das gedacht. Ein letzter Abstecher zum Playa de Sotavento. Wind, keine Wolken. Alles etwas karg, aber das macht es gerade so wertvoll. Fuerteventura hat halt seinen eigenen Charme. Da die Fähre erst am Abend ablegt und länger braucht als hin, werden es jetzt zwei Nächte auf der Fähre. Montag früh sollte ich ankommen. Vielleicht bekomme ich doch noch eine Kabine, zwei Nächte im Liegesessel klingen nicht gut. Aber ich kenn' ja jetzt die Regeln von One Deck Galaxy.