Der Durst nach Ganzheit
Scientists tell us that we have enough technology to save our planet, but psychologically, we are not capable. We are not peaceful, enlightened, or awake enough to do it. That is why, while scientists are trying to discover ways to improve our technology, we as members of the human race have to practice so that we can transcend our fear, despair, forgetfulness, and irresponsibility. A collective change of consciousness will bring about a new way of life, a mindful way of living. The technology that is available to us will be enough to help us save this planet.
Thich Nhat Hanh
Und wieder ein Quartal vorbei. Aber ich kann mich nicht über Langeweile beschweren. Ich kann auch nicht sagen, dass Istanbul schön war, dann ich hab' nichts von der Stadt gesehen außer der Haartransplantationsklinik. Dafür kann ich nach Dekaden wieder behaupten, Shampoo zu benutzen. Mal sehen, was draus wird. Sowas dauert ja Monate, bis man da das Ergebnis sieht. Danach kam ein wenig die Adria. Da war die Saison zum Glück vorbei, also kein Remmi-Demmi, sehr angenehm.
Letztes Jahr zu dieser Zeit war ich in Tarifa. Die aktuellen Überschwemmungen in Spanien sind schon erschreckend, weit weg wäre ich nicht davon gewesen, selbst Málaga ist ja betroffen. Und während die Welt so vor sich hin kollabiert haben die Deutschen wie befürchtet wieder im großen Stil die Nazis gewählt, in drei Bundesländern. Und übermorgen können im ganz großen Stil die Nordamerikaner nachlegen. How Democracies Die. Hören wir dazu The Cure.
Wenn man so über das Ganze nachdenkt, bekommt man den Eindruck, Demokratien haben einfach ein prinzipielles Problem, sie können keine unpopulären, aber notwendigen Entscheidungen durchsetzen (wie die Rettung der Welt und sowas). Populus wählt halt. Zumindest keine Entscheidungen, die genug Aufmerksamkeit erregen. Denn es gibt immer irgendeine Idiotenpartei, die dann das Gegenteil fordert, behauptet, das sei alles nicht nötig, und was geht uns das alles überhaupt an! Und schon muss man vermeintlich relativieren oder sogar auf den Zug aufspringen. AfD und BSW sind die besten Beispiele. Mit Vernunft oder Wissenschaft kann man da nicht mehr kommen, weil das interessiert eh kaum noch jemanden. Jedem seinen Guru. Auch wenn es Guru Geistlos ist. Guru ist ein gutes Stichwort. Ich bin in Indien. Aber dazu später.
Also wenn es Demokratien nicht schaffen, die aktuellen, fundamentalen Probleme der Welt zu lösen, dann wird es eng. Ich hab ja schon mal Graeme Maxton erwähnt, und auch Francis Fukuyama, und ich bin da ganz bei letzterem und glaube fest an liberale Demokratien, aber irgendwie klappt es nicht mehr so richtig. Die Ampel war eine Kapitulation vor der Demokratie, ein infantiles, würdeloses Rumgehampel. Da wundert es nicht, wenn die Radikalen aufstreben. Und Vorschläge, die Menschen mehr in politische Entscheidungen einzubeziehen, machen mir eher Bauchschmerzen. Vielleicht auch dank Social Media fühlt man sich ja jetzt schon manchmal eher wie in einer Ochlokratie.
Repräsentative Demokratien ziehen zumindest eine Abstraktionsebene zum Volk ein, auf der man halbwegs vernünftig arbeiten kann (und auch kleine unpopuläre Dinge entscheiden). In irgendeinem Podcast machte jemand den bemerkenswerten Kommentar, dass es gerade mehr Abstraktion ist, die es erlaubt größere, wichtige und unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Die EU zum Beispiel. Die hat ein Verbrenner-Aus entschieden, sowas hätte Deutschland niemals beschlossen, auch nicht repräsentativ. Aber selbst Herr Habeck torpediert diese Entscheidung ja gerade, ich weiß jetzt gar nicht mehr, wen ich wählen soll. Und wann wird Abstraktion undemokratisch? Und wie wichtig ist das gerade noch? Und wie demokratisch sind unsere Demokratien eigentlich? Wenn nicht (immer) der gewinnt, der die meisten Stimmen bekommt? Wenn die große Mehrheit der Wähler von ihren Entscheidungen gar nicht mehr groß betroffen ist (Demographie)? Und die, die betroffen sind, demzufolge eine Minderheit, die den Entscheidungsprozess demokratisch nicht wirklich beeinflussen kann? Man könnte all dies lösen, und trotzdem eine liberale Demokratie bleiben. Man müsste Demokratie nur zeitgemäß implementieren, so dass sie unpopuläre, aber wesentliche Entscheidungen treffen kann (determiniert durch Wissenschaft), möglichst fair die Macht verteilt (durch Mathematik und fairer Stimmgewichtung). Aber das ist leider auch ein Problem der Demokratien, man kann sie mit ihren eigenen Mitteln abschaffen. Macht macht viele Menschen krank. Wir sollten das in Deutschland am besten wissen. How Democracies Die.
Das war der gute-Laune Teil dieses Beitrages. Alles sehr global, und wahrscheinlich hat Thich Nhat Hanh recht, ohne einen kollektiver Bewusstseinswandel werden uns neue Prozesse, Systeme, Algorithmen (selbst die komplizierten, künstlich intelligenten) nicht retten. Und kollektiv betrifft ja jeden Einzelnen. Und da ist man sich ja auch gleich wesentlich näher. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass wir in den 40ern und in den 60ern beschleunigt altern. So gesehen auch gut, dann steht mir ja bald wieder eine Alterungsverlangsamung bevor. Zudem habe ich ja jetzt mehr Haare.
Es hilft übrigens auch nicht dabei, jung zu bleiben, wenn man ständig trinkt und raucht. Gerade Alkohol war ja lange ein steter Freund in meinem Leben. Ich hab' diese toxische Freundschaft dann irgendwann gekündigt, komplett, und scheine damit gerade sehr im Trend zu liegen. Selbst in München steht man für alkoholfreies Bier Schlange, unfassbar. Als ich noch in München gearbeitet habe galten drei Weizen zum Mittag als Microdosing. Man kann ja vielleicht sogar bald ohne betrunken zu werden weitersaufen, dank eines neuen Protein-Gels. Aber das klingt dann doch etwas bemüht. Meine Fettleber war übrigens irgendwann weg. Es lohnt sich.
Zum Thema Alkohol habe ich letztens ein wirklich empfehlenswertes Buch entdeckt, das auch die Brücke zur Spiritualität schlägt. Es sind ja manchmal Bücher, die einem so über den Weg laufen, und da steht dann auf einmal sehr viel Erhellendes drin, was man schon lange gesucht hatte. Mitte der 90er war es zum Beispiel das Buch The Stormy Search For The Self von Stanislav und Christina Grof, welches mir endlich so einiges erklärte, für das ich schon recht lange eine Erklärung gesucht hatte. Grof hat unter anderem Holotropes Atmen entwickelt, was ich dieses Jahr endlich mal ausprobiert habe. Es ist schon äußerst beeindruckend, welchen intensiven Effekt diese Technik haben kann, ganz ohne Drogen. Wer tiefer in seine Psyche eintauchen will, sollte Holotropes Atmen ausprobieren, bevor man sein Seelenheil unerfahrenen Möchtegerncoaches/-trainern unter Ayahuasca oder LSD ausliefert.
Drogen spielen auch eine maßgebliche Rolle in diesem eben erwähnten Buch, das mir Anfang des Jahres wie einer dieser glücklichen Zufälle begegnete. Und es ist faszinierenderweise wieder ein Buch von Grof, diesmal nur von Christina - The Thirst for Wholeness.
Es geht in erster Linie um Alkohol, aber auch generell um Süchte und Abhängigkeiten, und deren Bezug zu der spirituellen Suche des Menschen. Zwei Dinge, die man erstmal nicht unbedingt in einem Satz nennen würde - Süchte, und die Suche nach Ganzheit. C.G. Jung schreibt 1961 in einem Brief an Bill Wilson:
His craving for alcohol was the equivalent, on a low level, of the spiritual thirst of our being for wholeness, expressed in medieval language: the union with God.
You see, “alcohol” in Latin is “spiritus” and you use the same word for the highest religious experience as well as for the most depraving poison. The helpful formula therefore is: spiritus contra spiritum.
Christina beschreibt das generelle Dilemma des Menschen, an Dingen anzuhaften, und der Buddhismus lehrt Anhaftung als eine Ursache des Leidens. Sucht (addiction) wird in dem Buch eingeordnet als extreme Form der Anhaftung (attachment). So, genug des Rausches.
Ich sitze hier gerade auf einem Sofa in Mandrem, Goa, und freue mich sehr über die neue Waschmaschine. Es gibt hier wahrhaftig Waschmaschinen, die nur kalt waschen. Aber unsere kann auch warm. Und es gibt Waschpulver extra für Toplader. Unsere ist aber Frontlader. Es ist eine teilweise fremde Welt, und es ist lange her, dass ich in Indien war. Irgendwann so um 1995, in Ladakh. Da gab es zum Glück noch kein Instagram. Krishna hat mir hier einen Scooter vermietet, und dabei erzählt, dass er mal mit seiner Bullet von Goa nach Ladakh gefahren ist. Er hat die Bullet noch...
Fortsetzung folgt.